Trinken gegen Amerika?


St. Denis, das ist heute ein kleiner, etwas verschlafener Vorort in der Banlieu nördlich von Paris. In der Fussgängerzone der heutzutage typische Grosstadtmix: französische weisse Mittelklasse und Zuwanderer aus (fast) aller Welt. An ihrem einen Ende die bekannte Kathedrale, die noch auf Dagobert - den Merowinger, nicht den Entenhausener Multimultimulitmillionär - zurückgeht, und der Ort wo Johanna von Orléans sich feierlich der französischen Sache verschrieb. Dagobert und Johanna, Namen nicht ohne Symbolkraft in der aktuellen politischen Grosswetterlage, stehen doch der eine heute für amerikanische Kultur der andere für französischen Widerstand gegen angelsächsische Dominanz. An ihrem anderen Ende Bistros und eine Umgehungsstrasse. Mittendrin in einem Einkaufszentrum, das schon bessere Tage gesehen hat, liegt das Zentrum eines Phänomens, das sich zur Zeit in rasender Geschwindigkeit über Europa und darüber hinaus verbreitet.
Die Rede ist nicht von einem Virus oder einem Erdbeben, sondern einem … Softdrink. Mecca Cola erobert derzeit die Märkte der Welt. In einer Zeit des spürbaren Unbehagens an amerikanischer Aussenpolitik hat der tunesisch-französische Geschäftsmann Tawfik Mathlouthi gewitzt den Zeitgeist erkannt und in einen beträchtlichen Geschäftserfolg umgemünzt. Im Juli letzten Jahres kam ihm die Idee es auf dem europäischen Markt mit einem Konkurrenzprodukt zu den allgegenwärtigen amerikanischen Marken zu versuchen. Der Erfolg von Star Cola und Sam Sam Cola in der arabischen Welt mag ihm dabei als Vorbild gedient haben. Bis Ende des Jahres plant er nicht weniger als 480 Millionen Flaschen produziert, verkauft und sich auf dem Markt etabliert zu haben. Ausgehend von Frankreich - derzeit laufen die Verhandlungen mit grossen französischen Supermarktketten wie Auchan und Carrefour - ist das Getränk mittlerweise in fast ganz Europa erhältlich; Mitte des Monats soll der Verkauf in den deutschen Grosstädten anlaufen
Was ist Mecca Cola? Zum Einen ist es der - ganz offensichtlich lukrative - Protest gegen amerikanische Politik und transatlantischen Kapitalismus: "Ne buvez plus idiot, buvez engagé" - "trink' nicht wie ein Depp, trink' engagiert" - ist der Aufdruck auf den in ihrem Design offensichtlich am Original orientierten Flaschen. Marken wie eben Walt Disney, Pepsi und Coca Cola, MacDonald und KFC gelten seit jeher als Repräsentanten der Polik ihrer Länder und haben in der Folge als Ersatzziele politischer Unzufriedenheit herhalten müssen.
Den Namen Mecca Cola will Mathlouthi durchaus als Programm gegen das "Mekka des Kapitalismus" verstanden wissen. Dabei verneint er jegliche Assoziation mit religiösen, sprich: islamischen Aspekten. "Wenn Sie in den Laden gehen, kaufen Sie doch auch nicht katholisch, evangelisch oder jüdisch." Ein Argument von begrenzter Überzeugungskraft: Da ist einmal der Name, immerhin das religiöse Zentrum des Islam, und zum anderen die Frage nach dem Selbstverständnis der vage panarabischen Zielgruppe.
Ebenso verwehrt er sich dagegen, als tumber Anti-Amerikaner vereinfacht zu werden. Dialog und interkultureller Austausch stehen bei dem Geschäftsmann, der in den 80er Jahren den Musiksender Radio Mediterranee ins Leben begründete und derzeit am Launch von Tele Liberte arbeitet, im Vordergrund. Wiederholt betont er, dass sein Protest sich gegen das Schwarz-Weiss Denken in der gegenwärtigen Politik richtet, und verweisst auf den humanitären Aspekt seiner Aktivitäten. Nicht weniger als 20% des Nettoerlöses gehen an die eigens etablierte Fondation Mecca-Cola für karitative Zwecke, die Hälfte davon an Projekte für palestinänensische Kinder. So zuversichtlich ist man über den Gang der Geschäfte, dass bereits jetzt - Mecca Cola ist erst seit letzten November auf dem Markt - erste Projekte unterstützt wurden.
Ist es ein, speziell aus deutscher Sicht beunruhigendes, weil wohlvertrautes Zeichen der Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln? Und Anzeichen, um mit Bassam Tibi zu sprechen, einer gescheiterten Integrationspolitik? Vielleicht passend in diesem Zusammenhang der Versuch in einem Franprix - einer hiesigen grossen Supermarktkette - im vorwiegend islamischen Evry nicht-muslimische Produkte von den Regalen zu nehmen.
Last not least und vermutlich völlig nebensächlich angesichts tiefschürfender Probleme, der Geschmack? Erinnert irgendwie an … Coca Cola.

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© Dirk Bennett 2003